Ohne Väter: Prolog

Um ehrlich zu sein, gestern als ich Nachts noch an dem Disstrack für umstandslos saß, hatte ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen diesen Vätern gegenüber, die ich da runtermachte. Zum Teil auch, weil es gerade für Väter of Colour oft gilt das Stereotyp des abwesenden Vaters zu brechen mit eben ihrer Anwesenheit. Es ist an der Stelle manchmal gar nicht so leicht das eine nicht gegen das andere aufzuwiegen, es gibt z.B. eine Tonne von Gründen, warum ich denke, dass die rassistische Politik gegenüber Ausländern und Geflüchteten mit dafür sorgt bestimmte Familienkonstellation zu problematisieren – Eine davon ist z.B. das Aufenthaltsrecht an die Elternschaft zu knüpfen. Dennoch, so gerne ich manchmal #notallVäter, sagen würde, alle cis-Väter profitieren von den patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft.

Denn es ist doch so, der Satz „Kinder brauchen ihren Vater“ wird i.d.R. nicht eben diesen gesagt sondern Müttern und anderen Eltern vorgehalten und zwar vor allem dann wenn Zweifel bestehen, dass diese kompromißlos den biologischen cis-Erzeuger im Leben des Kindes bestehen lassen  … manchmal aber auch einfach nur so. Von Müttern* wird verlangt, dass sie alles mögliche tun & zulassen, damit Kinder um jeden Preis eine Beziehung zu ihrem Erzeuger haben… Wer „Kinder brauchen ihren Vater“ sagt, meint oft nichts anderes als „Sorg du dafür, dass die Kinder eine cis-männliche Bezugsperson haben“. Wieder wird den weniger privilegierten eine Last aufgeladen, wieder müssen sie kämpfen, gehen Kompromisse ein, streiten sich mit Institutionen … „Schön, dass sie dem Kind das ermöglichen“

Aber brauchen Kinder wirklich ihren Vater/ eine männliche Bezugsperson? Zu welchem Preis? Brauchen Kinder nicht viel eher eine Möglichkeit zu lernen mit der Situation und dem Menschen, der sie mitgezeugt hat umzugehen; ob dieser nun real präsent ist oder nur in Erzählungen? Sollte man zwei Menschen zwingen eine Beziehung einzugehen, wenn mindestens einer dieser Menschen das gar nicht will? Wäre es nicht einfacher ehrlich zu sein?

Das die biologische Familie höher gestellt wird als die Wahlfamilie ist, wenn man* nur etwas länger darüber nachdenkt, absurd. Auch das Argument, der Identitätsfindung, was noch häufiger bei Kindern of Color angebracht wird, halte ich für nichtig. Diese Lücke muss nicht vom biologischen Erzeuger gefüllt werden.
Natürlich brauchen Kinder Bezugspersonen, denen sie vertrauen können & von denen sie geliebt werden und die ihre Erfahrungen teilen, allerdings müssen das nicht die biologischen Eltern sein.

Ich weiß, dass das hart klingt und die Realität natürlich viel komplexer ist aber gerade deshalb sollte man darüber sprechen. Über andere Familienkonzepte als die heteronorme 2 Erwachsene + Kinder Familie. Damit wir aufhören mit zweierlei Maß zu messen.

Wir können nicht Cis-Väter für etwas beklatschen, was für alle anderen Alltag, wenn nicht sogar alltäglicher Kampf, ist. Erst Recht nicht dann, wenn andere Konzepte blockiert und alleinerziehende Frauen* nicht unterstützt werden, sich aber viele dieser Väter immer noch ohne Konsequenzen aus der Verantwortung ziehen können.

Es geht nicht ohne Väter, weil das System es nicht zulässt, gleichzeitig *muss* es für viele Familien ohne Väter gehen. Ein Paradoxon was aufgelöst gehört.

Darum also dieses Projekt. In der Hoffnung in den nächsten Wochen wenigstens ein kleines Licht auf all die anderen Geschichten zu werfen, über die nicht gesprochen wird und_oder deren Anstrengungen achselzuckend hingenommen werden… denn: die Lage ist prekär.

P.S.:
Die erste Geschichte gibt es hoffentlich in der nächsten Woche. Ihr könnt mir  aber natürlich weiterhin schreiben, wenn Interesse besteht mitzumachen.

Kinder, die ohne Vater, auf(ge)wachsen sind, bitte ich noch um etwas Geduld, auch ihr sollt möglichst bald zu Wort kommen können.

Randnotiz:
Die nicht-alle Väter Fraktion verweise ich auf alle aktuellen Medienoutlets (den Spiegel, die WDR Doku) und das neue umstandslos Magazin. Dies hier ist kein Raum für euch.
Vätern, „denen die Kinder weggenommen wurden“ rate ich außerdem ein Buch zu schreiben anstatt mich vollzunörgeln; alternativ: fragt doch mal die Väter, die gerade überall Kekse bekommen, vllt geben sie welche ab. Dies hier ist kein Raum für euch.
Jegliche Kommentare in der Hinsicht werden ignoriert.

9 Gedanken zu “Ohne Väter: Prolog

  1. Sophie S. sagt:

    Ich bin gespannt, wohin die Reise geht. EInerseits willst du niemanden in eine Beziehung zwingen, andererseits sind die Väter, die keine Beziehung zu Frau und Kind wollen unverantwortlich. Einerseits willst du die Wichtigkeit biologischer Elternschaft reduzieren, andererseits sollen biologische Erzeuger Unterhalt zahlen. Einerseits sind Väter in der Erziehung überflüssig, andererseits ist Alleinerziehend auch doof.

    Um diese Widersprüche aufzulösen, muss man am System ganz schön rumschrauben. Mal sehn, was für ein Modell du vorschlägst.

    1. fraunaijn sagt:

      mhm… ich glaube du solltest den Text noch mal genauer lesen, dein Fazit finde ich nämlich merkwürdig. genauso wie die Annahme, dass ich irgendein Modell vorschlagen würde. Welches Modell zu wem, in welcher Situation, passt müssen die betroffenen Menschen schon selbst entscheiden.
      Ich sage auch nicht, dass alleinerziehend sein doof ist und kein cis-Vater heißt übrigens nicht automatisch, dass Mensch alleinerziehend ist. von Erziehung steht da ebenfalls nichts, sondern von Beziehung(en).
      Ich schreibe davon, dass Mütter* und Väter mit zweierlei Maß gemessen werden & letztere sich viel mehr erlauben dürfen ohne Konsequenzen tragen zu müssen, während Mütter* in der Regel mit der Belastung allein gelassen & ständig be-& verurteil werden.
      Ich schreibe von fehlender Unterstützung von Müttern* und ja ich denke, dass, solange gesellschaftlich & institutionell keine anderen Konzepte akzeptiert & gefördert werden, natürlich die biologischen Erzeuger zur Verantwortung gezogen werden sollten, zumindest wenn sie mal Teil der Familie waren.
      Selbstverständlich gibt es da auch immer Widersprüche, aber genau deshalb wäre es schön & wichtig das ganze mal konstruktiv zum Thema zu machen…
      mir geht’s hier um Empowerment & darum Raum zu schaffen für Mütter*_Eltern und deren aktuelle Situation, Wünsche & Bedürfnisse & nicht um Modelle.

  2. Mom sagt:

    Also, mein Sohn hätte tatsächlich seinen Vater gebraucht -nicht irgendeine männliche Bezugsperson, sondern seinen Vater, der leider nichts von ihm wissen wollte. Mein Sohn hat wahnsinnig darunter gelitten, über Jahre, und dieses Gefühl, seinen Vater verloren zu haben, hat ihm wirklich schwierige Zeiten beschert. Seitdem ich das miterleben musste, bin ich recht vorsichtig mit feministischen Theorien geworden, die da ein weniger starres System predigen.

    1. fraunaijn sagt:

      das tut mir leid für deinen sohn. ich predige allerdings nicht, sondern hinterfrage das reale system & lasse menschen von ihrer realität erzählen. das ist eher praxis als theorie.

      1. Mom sagt:

        Ich habe das „predigen“ nicht auf Dich bezogen, tut mir leid, wenn das so rübergekommen ist. Ich meine eher die Literatur zum Thema, die ich vor gut 20 Jahren gelesen habe, und die mehr oder weniger einhellig schwor, dass der biologische Vater eh unwichtig wäre, wichtig wären männliche Bezugspersonen, und dann würde das schon klappen.

      2. fraunaijn sagt:

        Achso. danke für’s Klären. ich denke es lohnt sich auf jeden Fall auch mal in neuere Texte zu schauen.. aber, wie schon gesagt, es ist sehr abhängig von der jeweiligen Situation und den Möglichkeiten die Mensch hat, finde pauschale Aussagen dazu auch eher schwierig. Klar gibt es immer Idealvorstellungen, die Praxis sieht halt oft anders aus. Deswegen ja auch dieses Projekt. 🙂

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